Eugen-Biser-Stiftung
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Theologie der Zukunft durch Rückbesinnung auf die Mitte des Christentums

Die Theologie der Zukunft versteht sich als christliche Antwort auf die Fragen der Zeit. Sie geht aus von der Rückbesinnung auf die Mitte des Christentums. Diese Mitte definiert sie durch zwei aufs engste miteinander zusammenhängende Faktoren: in der von Jesus entdeckten Eindeutigkeit des bedingungslos liebenden Gottes und in der Auferstehung Jesu.

Diese Mitte ist nicht starr, sondern lebendig bewegt. Sie sucht den Menschen für sich zu gewinnen und möchte zu seiner Lebensmitte werden. Die Theologie der Zukunft begreift das Wesen des Christentums somit als eine „Christologie von innen". Dabei gilt es auch, die Liebenswürdigkeit des Christentums wiederzuentdecken, die es nach Kant vor allen anderen Religionen auszeichnet.

Buchtipp: Die Mitte des Christentums

Bücher

Eugen Biser ist ohne Zweifel einer der wichtigsten Theologen der Gegenwart; seine Werke gehören jetzt schon zu den Klassikern der theologischen Literatur. Mit seiner Vorstellung von einem Glauben ohne Angst und einem versöhnlichen Gott trifft Biser den Nerv der Zeit. In dem Buch Die Mitte des Christentums wird von den führenden Biser-Experten in das vielfältige Denken des Theologen eingeführt. Alle wichtigen Aspekte der Theologie Bisers werden dabei berücksichtigt: Hermeneutik, Mystik, Theologiegeschichte und Ethik.

Christentum als therapeutische und mystische Religion

Durch den Bezug auf die Mitte wird deutlich, dass das Christentum, anders als das Judentum, von seinem Ursprung her keine moralische, sondern eine therapeutische, auf die Heilung des todverfallenen und angstgepeinigten Menschen ausgehende und insbesondere eine mystische Religion ist, die aus der Einwohnung ihres Stifters in den Herzen der Seinen lebt.

Das Zentrum der christlichen Botschaft besteht für die Theologie der Zukunft in dem von Jesus entdeckten und verkündeten Gott der bedingungs- und vorbehaltlosen Liebe. Sie lehnt die Vorstellung von einem ambivalenten, zwischen Güte und Zorn oszillierenden Gott als eine der menschlichen Geschichts- und Selbsterfahrung entstammende Projektion ab. Jesus hat den aus Angst und Hoffnung gewobenen Schleier vom Gottesbild der Menschheit entfernt. Indem er seinen Gott mit der ehrfürchtig-zärtlichen Anrede „Abba – Vater" anrief, durchstieß er die Mauer der Unnahbarkeit Gottes, überbrückte den Abgrund der Gottesferne, erschloss den Zugang zum Herzen Gottes und begründete die Gotteskindschaft der Menschen. Wenn die Liebe dessen, der uns (nach Röm. 8, 32) mit seinem Sohn alles geschenkt, hat, an die Herzen rührt, muss die dort herrschende Angst weichen und der Gewissheit Raum geben, dass keine Macht der Welt die Zuwendung dieser Liebe aufhalten und uns von ihr trennen kann.

„Zur Freiheit hat uns Gott befreit“

Die Theologie der Zukunft entlarvt jede Form sozialer, geistiger und moralischer Repression als unchristlich, gestützt auf das große Paulus-Wort: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit" (Gal. 5, 1). Sie befreit insbesondere von dem nach Nietzsche auf allem lastenden „Geist der Schwere", der alles in die Gleise von „Satzung, Not und Folge" zu zwingen sucht. Da wahre Freiheit nicht so sehr die der zerbrochenen Fesseln als vielmehr die zu höherer Selbstaneignung ist, wird sie vorzugsweise zum Urakt aller Kultur bewegen und anleiten müssen. Der aber besteht in der unabdingbaren Aufgabe des Menschen, aus dem Rohstoff seiner Person das Kunstwerk der Persönlichkeit zu schaffen.

Die Theologie der Zukunft sucht nach Mitteln und Wegen, die immerwährende Sinnfrage des Menschen zu beantworten. Sie ist davon überzeugt, dass die Frage nach seinem Lebenssinn das Gottesbewusstsein des Menschen erweckt und hält es deshalb für ein dringendes Gebot der Stunde, dass der Zusammenhang zwischen Gottesglaube und menschlicher Sinnfrage neu entdeckt und neu auf den Begriff gebracht wird.

Richard Heinzmann über Eugen Biser und sein Werk

1.     Die traditionelle Theologie ist aus der frühen Begegnung von Christentum und griechischer Philosophie entstanden. Dabei wurde die Lebenswirklichkeit des Christentums auf den Begriff gebracht und zu einer Lehre fortentwickelt. Das hatte zur Folge, dass Glauben als Für-wahr-Halten von Sätzen verstanden wurde. In unterschiedlicher Ausprägung hat sich diese Gestalt, vom Lehramt getragen, bis ins 20. Jahrhundert mehr oder weniger unangefochten durchgehalten. Das ist die Wahrheit des Christentums.

2.     Eugen Biser erkannte früh, dass dieses Verständnis die ursprüngliche Lebenswirklichkeit des Christentums ebenso verfehlt wie die des Menschen. Mit der Rückwendung zur Mitte des Evangeliums, zur Person Jesu, setzt seine Theologie der Zukunft ein und führt zum Christsein als Lebensvollzug. Im Zentrum steht das von Jesus entdeckte Gottesbild, wonach er der vorbehaltlos liebende Vater ist.

3.     Mit der Überzeugung, dass Jesus in die Herzen der Seinen auferstanden ist, vollzieht Biser eine weitere Wende von der Vergegenständlichung zur Innerlichkeit, in der die Dogmen und die Lehre auf das in ihnen anwesende Mysterium hin durchbrochen werden. Daraus entwickelt sich eine neue Form des Glaubens: der Innerlichkeits- und Identitätsglaube. Christsein wird von einer Theorie zu einem Existenzmodus. Das ist die Wahrheit Christi.

4.     Damit wird Christentum jedoch nicht auf einen sprachlosen Subjektivismus reduziert. In einer erneuten Wende zurück in die Wirklichkeit der Welt realisiert sich Christsein in einer neuen Gestalt. Es stellt sich als Angebot für die Menschen dar, in freier Entscheidung in der Botschaft Jesu Christi den Sinn ihres Daseins zu entdecken.

5.     In diesem einzigartigen und neuen Ansatz, Christentum zu verstehen, zu denken und zu realisieren, besteht die epochale Bedeutung des Lebenswerkes von Eugen Biser.