Donnerstag, 21. Mai 2015, 20.00 Uhr
Religion zwischen Satire und Blasphemie
Podiumsdiskussion · Alexander Görlach,  Prof. Dr. Havva Engin,   Mathias Rohe
Seit dem Attentat auf Charlie Hebdo ist die Frage, was Satire darf, virulent. Zwar ist Gotteslästerung seit 1969 in Deutschland nicht mehr strafbar. Unter Strafe stehen aber Äußerungen im religiösen Kontext, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Ist Respektlosigkeit gegenüber Religion ein solcher Störfaktor? Ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht höher zu veranschlagen als der Schutz religiöser Gefühle? Sind Muslime einfach humorlos? Sind Christen bereits religiös abgestumpft und deshalb gegenüber Gotteslästerung gleichgültig?
Nachlese
Sind Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst höher einzuschätzen als Religionsfreiheit oder der Schutz religiöser Gefühle? Was sagt das Strafrecht in dieser Frage? Können Glaube und Religion Artenschutz für sich in Anspruch nehmen? Oder ist der Gesetzgeber mit dem Ruf nach solchen Entscheidungen einfach überfordert? Darf Satire wirklich alles? Und reicht es dann, die Entscheidung dem guten Geschmack und menschlichem Anstand zu überlassen?
„Religion zwischen Satire und Blasphemie" war der Titel einer Diskussionsveranstaltung der Eugen-Biser-Stiftung und des Münchner Literaturhauses, auf der diese Fragen nicht zuletzt vor dem Hintergrund mörderischer Anschläge extremistischer Muslime in Kopenhagen und Paris diskutiert wurden. Auf dem Podium trafen sich unter Leitung von Alexander Görlach, dem Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift „The European", Prof. Mathias Rohe, Direktor des Erlanger Zentrums Islam und Recht in Europa, und Prof. Havva Engin, Leiterin des Heidelberger Zentrums für Migrationsforschung und Transkulturelle Pädagogik. Engin wie Rohe sind Mitherausgeber des „Handbuchs Christentum und Islam in Deutschland" der Eugen-Biser-Stiftung.
Gott hat es nicht nötig, vom Strafrecht geschützt zu werden, stellte Prof. Rohe eingangs klar. Schon seit 1969 ist in Deutschland Gotteslästerung nicht mehr strafbar. Was allerdings nach wie vor strafbar ist, ist nach §166 des Strafgesetzbuchs die Störung des öffentlichen Friedens. Was darunter zu verstehen ist, muss im Einzelfall geprüft und beantwortet werden. Der Grat ist schmal, meinte Rohe und nannte zwei Beispiele: Im Fall der Verunglimpfung der katholischen Kirche in einer Zeitung als „Kinderfickersekte" gab es durch ein Berliner Gericht einen Freispruch. Zu einer Verurteilung kam es, als ein Hersteller Toilettenpapier mit Koranverse bedruckte. Rohe bedauerte, dass es in Satire und Religionskritik oft nur um Demütigung und Entwürdigung gehe. Eine Beurteilung, der sich auch Havva Engin anschloss. Rohe verwies auch auf das islamische Recht, wonach Gotteslästerung und Beleidigung des Propheten Mohammed in manchen arabischen Ländern als todeswürdige Verbrechen gelten. Ausbaufähig nannte Rohe den selbstkritischen Witz im Islam. Auch müsse man dort ein massives Defizit an Kommunikationskultur registrieren.
Engin lieferte allerdings Beispiele, nach denen es im Islam durchaus selbstkritischen Humor und satirische Ansätze gebe, sogar in mancher Sure des Koran und bei Mohammed selbst könne man fündig werden. Auch Engin hob auf die Unterscheidung ab: Humor bedeute, über sich selbst oder jemanden anderen zu lachen. Was nicht gehe, sei Verhöhnung und das Vorführen von Menschen und deren Meinungen. Nachdrücklich verwies die Pädagogikwissenschaftlerin mit Blick auf die Zukunft auf den Bildungsauftrag ihrer Disziplin: „Die Schulen von heute sind die Gesellschaft von morgen."
Die christlich-islamischen Dialogprojekte der Eugen-Biser-Stiftung – darunter auch das Lexikon des Dialogs und das Handbuch Christentum und Islam in Deutschland – sind aus Mitteln des Europäischen Integrationsfonds sowie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durch das Bundesministerium des Innern kofinanziert.
Teilnahmegebühr
Normalpreis € 9,-
Freundeskreispreis € 9,-
Studentenpreis € 7,-
Veranstaltungsort
Literaturhaus München
Salvatorplatz 1
80333 München
U-Bahn U3/U6 und U4/U5, Haltestelle „Odeonsplatz" / StadtBus 100, Haltestelle „Odeonsplatz" / Tram 19 "Maffelstraße"
Programm
Einführung aus Sicht der Medien und Moderation des Podiumsgespräches
Alexander GörlachHerausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift „The European"
Statement aus juristischer Sicht
Mathias RoheProfessor für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; Direktor des Erlanger Zentrums Islam und Recht in Europa (EZIRE); Mitherausgeber des „Handbuchs Christentum und Islam in Deutschland"
Statement aus muslimischer Sicht
Prof. Dr. Havva EnginProfessorin für Allgemeine Pädagogik, Schwerpunkt Interkulturelle
Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg; Leiterin des Heidelberger Zentrums für Migrationsforschung und Transkulturelle Pädagogik (Hei-MaT); Mitherausgeberin des „Handbuchs Christentum und Islam in Deutschland"
- Literaturhaus München